Heribert Becker
Der Surrealismus in Belgien
Eine Anthologie
Heribert Becker
Verlag Hans Schiler
Sprache: Deutsch
1. Auflage (2019)
Klappenbroschur, 300 Seiten
ISBN 9783899301953
Verfügbarkeit: sofort lieferbar
28.00 €
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„Heribert Becker hat mit seinem Buch über den belgischen Surrealismus ein neues Standardwerk geschaffen [...] welches einen großartigen Überblick zu diesem Thema bietet, nicht zuletzt auch, weil Becker, um all die literarischen Schätze zu bergen, in die Katakomben der Archive und Sammlungen hinabstieg ...“ (Jochen Knoblauch in: Feuerstuhl No 3, Magazin für Spötter & Feuervögel)
Ende 1926 etablierte sich in Brüssel um den Dichter und Theoretiker Paul Nougé und den Maler René Magritte eine frankophone belgische Surrealistengruppe, die über Jahrzehnte ihren rebellischen Unternehmungen nachging.
Die vorliegende Anthologie bietet — erstmals in deutscher Sprache — eine Auswahl unterschiedlicher Texte (Gedichte, Erzählungen, Aphorismen) der wichtigsten Autoren dieser belgischen Gruppe.
Wenn vom Surrealismus die Rede ist, meint man fast immer die 1924 gegründete Pariser Kerngruppe dieser Bewegung. Vergleichsweise wenig bekannt sind dagegen andere dezidiert als surrealistisch sich bezeichnende Dichter- und Künstlerkollektive, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern entstanden. Unter diesen gilt die frankophone Brüsseler Surrealistengruppe Experten als die zweit-wichtigste; jedenfalls ist sie die erste, die sich nach derjenigen in Paris konstituierte, und zwar bereits Ende 1926, als sich zwei präsurrealistische Gruppierungen zur „groupe surréaliste de Belgique“ zusammenschlossen: diejenige von René Magritte und E.L.T. Mesens einerseits und die von Paul Nougé, Camille Goemans, Marcel Lecomte, Paul Hooreman und André Souris andererseits.
Die schöpferischste und heute international bei Weitem bekannteste Persönlichkeit dieser belgischen Surrealistengruppe war der Maler René Magritte, der schon 1925 zu seiner unverwechselbaren poetischen Bildsprache fand. Mit der Zeit schlossen sich weitere Schriftsteller und bildende Künstler der Gruppe an und spielten in ihr eine mehr oder minder aktive Rolle, etwa Louis Scutenaire und seine Frau Irène Ha-moir, Max Servais, Paul Colinet, Marcel Mariën, Raoul Ubac und danach noch viele andere. Dieses Kollektiv entwickelte sich in mancherlei Hinsicht in eine andere Richtung als die Pariser Ursprungsgruppe, was immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und Reibereien, wenn nicht gar zu ernsthaften Konflikten führte. Insgesamt aber überwogen die Gemeinsamkeiten, insbesondere Ende der 1920er und in den 1930er Jahren, als Pariser und Brüsseler Surrealisten besonders häufig zusammenarbeiteten. Die einen wie die anderen waren sich, weit über den Bereich von Literatur und Kunst hinausgehend, einig in der Überzeugung, dass die bestehende geistige, soziale und politische Realität ihrer Zeit ganz und gar unannehmbar sei. Ein fundamentales Gefühl der Revolte beseelte beide Gruppen, die die bürgerlich-kapitalistische und christliche Gesellschaft mit ihren Werten und ihrer Kultur radikal ablehnten und von Grund auf verändern wollten.
Ähnliche kämpferische Ansichten vertrat eine zweite belgische Surrealistengruppe, die, unabhängig von derjenigen in Brüssel, aber des Öfteren mit ihr zusammenarbeitend, in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre in der südbelgischen Industrieregion Hainaut aktiv war. Ihr gehörten Dichter und bildende Künstler wie Achille Chavée, André Lorent, Fernand Dumont, Marcel Havrenne, Armand Simon, Marcel Lefrancq, Pol Bury und Louis Van de Spiegele an. Während diese Gruppe ein eher kurzlebiges Dasein fristete, setzten die Brüsseler Surrealisten nach 1945 ihre vielfältigen Aktivitäten fort, die nach einer Phase des Erlahmens in den 1950er und 1960er Jahren durch das Hervortreten jüngerer Mitstreiter sogar bis an die Schwelle zum 21. Jahrhundert anhielten.